Sonntag, 19. Februar 2017

Kurze Ideen von Politikern

Der Bürgermeister der Stadt Wien hat eine Idee. Das einer Versicherung gehörende Gebäude zwischen Wien Museum und Karlskirche könne man doch ankaufen und das Wien Museum erweitern. Der Bürgermeister weiß (oder weiß er es gar nicht?), daß es zur Erweiterung des Wien Museums einen Wettbewerb gegeben hat, daß die Vorbereitung zur Realisierung des Wettbewerbs laufen. Er weiß (oder auch das nicht), daß weder das Museum, noch der betroffene Eigentümer des begehrten Gebäudes, noch der Kulturstadtrat, noch die mitregierende Partei von der Idee etwas wissen. Die Zeitungen berichten, eine wittert schon einen Skandal, aber es ist ohnehin nur eine Eintagesidee, die die von ihrem Autor schnell bestattet wird.

Ein Minister hat eine Idee. Der Heldenplatz solle umbenannt werden. In Platz der Republik oder in Platz der Demokratie. Schön. Kann man ja machen. Symbolpolitik, ganz von oben. Cui bono oder zu was des jetzt? Was würde dadurch besser oder anders? Die Zeitungen berichten. Die Leserbriefschreiber giften, man möchte sich die Helden eher nicht nehmen lassen. Wie lange wird diese Idee halten?

Sonntag, 5. Februar 2017

Im Museum

Vanessa Bell: Matisse-Raum. 1912 - 2. Post-Impressionistische Ausstellung, London 1912

Das Jubiläum des Centre Pompidou


Das Centre Pompidou wird vierzig Jahre alt.

In "Welt N24 (hier) würdigt Hans-Joachim Müller den Geburtstag auf so kuriose Weise, daß es fast schon wieder aufschlussreich für den Stellenwert des Centre Pompidou ist. Die z.T. genau Beschreibung und Analyse des Bauwerks, seiner revolutionären Funktion, des Museums, mancher Ausstellung mündet in eine Generalverurteilung als überholt und alt geworden. Zentrale Kriterien sind Müllers eigener Überdruß, den er allen Besuchern zuschreibt und die überholende Modernität moderner Museumsbauten. Das was das Centre Pompidou ausgemacht hat, wird ihm nun im Vergleich zum Verhängnis: "Von der massenwirksamen Abrüstung des Kunstheiligen will niemand mehr etwas wissen. Zugleich scheint die unterkühlte, sachdienliche Binnenarchitektur immer weniger geeignet für all die sagenhaften Wertsachen, die der Kunstbetrieb zu verschieben pflegt."

Müller ist nicht der einzige, der mit der Rückkehr des Tempelhaften kokettiert, da waren Hanno Rauterberg oder Wolfgang Ullrich schon früher dran.

Also halten wir uns lieber an die präzise Charakterisierung der innoveativen Qualitäten, die der Essay eingangs bietet: "Wie Piano und seine Compagnons ohne den klassischen Museumsernst auskommen und strikt auf jeglichen Galerienschick verzichten, das ist so nie wiederholt worden. Dem Centre Pompidou fehlt all das Palaströse eines Louvre. Ihm fehlt aber ebenso die Laborkälte des White Cube. Das Centre ist unkompliziert. Von außen deutet nichts auf Kunst hin. Und hinter den Einlassschleusen könnte es auch zu einer Campingmesse weitergehen. Irgendwie ist der Empfangseindruck in all den Jahren geblieben.

Was aber deutlicher geworden ist, wie wenig hier die Formauffälligkeit die Maßlosigkeit braucht. Was umso bemerkenswerter erscheint, als die Nachfolger ihre rigorosen Inszenierungen und visuellen Überwältigungen nicht selten gegen den städtebaulichen Kontext durchgesetzt haben. Zaha Hadids groß gestikulierendes Maxxi in Rom zum Beispiel, das wurstartige Kunsthaus, das Peter Cook und Colin Fournier in die Grazer Innenstadt gepresst haben, oder Frank Gehrys Guggenheim in Bilbao. Ganz anders das Centre Pompidou. In seinem technoiden Charme erscheint es noch immer eigenwillig, aber keineswegs unmaßstäblich." Na bitte.

Ärgerlich ist nur, daß Müller das Centre Pompidou als Museum bezeichnet. Das ist es auch aber eben nur zum kleineren teil. Wenn man nur noch die Bibliothek für erwähnenswert hält aber alle anderen kulturellen Einrichten einfach nicht nennt, kann man ein so völlig verzerrtes Bild zeichnen. Aber auch das ist nie wieder versucht worden, ein Maison de la culture zu schaffen, in dem die Institutionen miteinander in Wechselbeziehung stehen dürfen und das Museum eingebettet ist in vielfältige andere Funktionen und Angebote.

Freitag, 3. Februar 2017

Freitag, 27. Januar 2017

Das "Haus der Geschichte Österreich" hat eine Leiterin

Gestern wurde Monika Sommer-Sieghart als Leiterin des Hauses der Geschichte Österreich vorgestellt. Sie hat alle Voraussetzungen für diese Aufgabe und wenn mich nicht alles täuscht, ist es das erste mal, daß ein österreichisches Museum eine Leitung mit profunden theoretischen Kenntnissen bekommt. Dazu kommt die Ausbildung als Historikerin, die Erfahrung im Organisieren von Ausstellungen, die langjährige leitende Mitarbeit am Wien Museum und anderes mehr. Kurzum, es ist jemand mit hohem Problembewußtsein und profundem museologischem Wissen. Sie repräsentiert auch einen generationellen Wechsel im Verständnis von Museen generell und es wird zeigen, wie sehr das in Ihrer Arbeit ablesbar werden wird.
Das alles will nun auf etwas angewendet werden, das ganz schön stachelig ist: die Konstruktion des Hauses, seine Finanzierung, der Umstand, daß keine Sammlung existiert, die (partei)politischen Implikationen des Projekts, die nach wie vor umstrittenen Abschnitte einer Zeitgeschichte, die offenbar noch immer nicht ganz vergangen ist und anderes machen dieses "Haus" schwierig. Abgesehen von den praktischen Fragen, der Raumqualität und -quantität, der unklaren Zukunft, was danach eigentlich geschehen soll, dem Konkurrenzdruck zu anderen Wiener Museen und das Verhältnis zum Haus der Geschichte des Niederösterreichischen Landesmuseums und last but not least die Aufgabe, in etwa einem Jahr das Haus mit einer Ausstellung zum Republik-Jubiläum eröffnen zu sollen und damit aber schon beweisen zu müssen, daß das Haus der Geschichte Österreich lebensfähig ist.
Da gibts jede Menge Ärmel, die aufgekrempelt werden müssen.

Samstag, 14. Januar 2017

Polen: Kampf ums Museum, Kampf ums Geschichtsbild


Heftige öffentliche politische Konflikte um ein Museum oder eine Ausstellung sind äußerst rar. Das könnte sich mit dem Vordringen rechter Politik in Europa ändern, denn da geht es immer auch um die Revision des Geschichtsbildes.
In Polen tobt gerade ein Streit um das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Kurz vor dessen Eröffnung. Regierung gegen Museumsleitung. Kulturminister gegen Direktor. Die ziemlich unglaublichen Details, mit der die Regierung das Museum in die Knie zwingen will und dabei rechtliche Hürden umschifft, kann man in einem informativen Artikel im Tagesspiegl nachlesen (hier).

Schwere Frage (Texte im Museum 608)

Ausstellung "Mittendrin. Leben mit Beeinträchtigung". Graz Museum 2016/17

Museumsstreik in den USA. Was Donald Trump so alles auslöst

Mitte des vorigen Jahres habe ich mit der Zuhörerschaft eines Vortrags ein frivoles Spielchen - in didaktischer Absicht, versteht sich -, getrieben. Ich habe alle ihre geliebten Museen abgewickelt, zugrundegehen lassen, in einer Dystopie, in der Museen inkompatibel und überflüssig werden in einer durchökonomisierten Welt. Die Reaktion war ratlos, das überfordert, sich eine Welt ohne Museen vorzustellen. Was dann? Passiert überhaupt etwas? Geht etwas ab? Wer würde sich zu Wort melden, eine Gegenbewegung anstoßen?

Jetzt blitzt die Idee einer, wenn auch nur zeitlich begrenzten, Schließung aller Museen, nein nicht nur der Museen, der kulturellen Institutionen überhaupt. Künstler haben einen Aufruf erlassen, aus Anlaß der Inauguration von Donald Trump am 20.Jänner. Es sind prominente Namen dabei und der Aufruf hat selbstverständlich große mediale Aufmerksamkeit. Am 8. Jänner berichtete z.B. die New York Times über den"Art Strike". Und darüber, daß er kaum zustandekommen wird. Den viele Institutionen wie Kulturschaffende können der Idee nicht viel abgewinnen. Und manche von ihnen machen was andres draus: offene Häuser, die ihre Diskussion über die politische Situation führen werden. Der Direktor des Bard College: "Inauguration Day is symbolic but let`s not just make it a day of symbolism. What we have to worry about is the next four years."

Die Phantasien, wie man Trump ärgern könnte, treibt weiter Ihre Blüten. Dem "Perlentaucher" entnehme ich heute dies: "Angesichts des Wahlerfolgs von Donald Trump sollten die Amerikaner "ausflippen", meint Mark Greif, Gründer der linken New Yorker Zeitschrift n+1 in der taz. Und er fordert das auch von den Repräsentanten: "Präsident Obama sollte nicht weiter von einem 'reibungslosen Übergang' sprechen, sondern den Übergang zu Trump so holprig wie möglich und so rau wie Sandpapier gestalten. Die Clintons sollten ihre Zusage, an der Inauguration teilzunehmen, zurückziehen. Das Capitol sollte die Bühne für die Inauguration nicht bauen. Der Partyservice sollte kein Essen liefern. Der Oberste Richter sollte nicht auftauchen, um den Amtseid abzunehmen. Keine Bibel sollte bereitgestellt werden. Soll Trump doch auf das schwören, was er gerade zur Hand hat: eine Ausgabe von 'Trump - Die Kunst des Erfolges'." 

Sonntag, 1. Januar 2017

Das Jüdische Museum Hohenems. Ein außergewöhnliches Museum feierte sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum

Der Standard hat in seiner Ausgabe vom 31.12./1.1. - also gerade noch im letzten Moment - meinen schon vor Monaten verfassten Artikel veröffentlicht (im Album), den ich aus Anlaß des 25jährigen Jubiläums des Hauses verfasst habe. Der Text, den der Standard mit "Im Zeichen der Achtung des Anderen" übertitelte", enthält hier im Blog einige kleiner Korrekturen.


Das Jüdische Museum in Hohenems


Ein kleines „Spezialmuseum“, das bald zwanzigtausend Besucher im Jahr hat, dessen Freundesverein über fünfhundert Mitglieder auf allen Kontinenten zählt, das weit über die Grenzen seines Bundeslandes und Staates hinaus bekannt ist und das eine buchstäblich weltweite Community hat – so ein Museum soll es in Österreich geben? Ja, in der kleinen Vorarlberger Stadt Hohenems - ich spreche vom Jüdischen Museum, das in diesem Jahr sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiert.
Hier geht es aber ausnahmsweise mal nicht um die Statistik der Besuche oder Events, sondern um die Einbettung eines Hauses, seiner Ausstellungen, seines Teams und deren Arbeit in einen vielstimmigen Zusammenhang, in unterschiedlichsten Öffentlichkeiten und um eine höchst lebendige und produktive Beziehung des Museums zu Besuchern, Experten, Unterstützern, Trägern, Förderern, Gästen.
Und so kann der heutige Direktor des Museums, Hanno Loewy mit Recht und Selbstbewußtsein sagen: „Ich kenne keine Institution, die von so vielen Menschen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aus Überzeugung und mit Emotion, aus Neugier, mit Witz und politischer Wachheit getragen wird.“

Dieses Museum habe ich im Jahr seiner Gründung 1991, kennengelernt, als ein sorgfältig geführtes Haus mit einer klug gestalteten Dauerausstellung, untergebracht in der umsichtig restaurierten Villa Heimann-Rosenthal. Nun war dieses Haus ein Erinnerungsort geworden, der an die einst vom Hohenemser Fürsten protegierte und nun gänzlich verschwundene Jüdische Gemeinde erinnerte.
Der Gründung ging eine jahrelanger, zeitweise heftig geführter Konflikt voraus, in dem der Stellenwert der Geschichte des Judentums in Vorarlberg erörtert wurde, aber auch in welcher Form und mit welchen Schwerpunkten man diese Geschichte in einem Museum darstellen sollte. Dieser vielfach geschichtete Konflikt - ein Generationenkonflikt, ein ideologischer Dissens, einer zwischen „Schulen“ der Historikerzunft -, mündete in eine Museumsgründung, die sich von Anfang an als nicht bloß lebensfähig sondern konzeptuell, architektonisch und museumspolitisch als kraftvoll und innovativ erwies.

Wer das Museum besucht, wird nichts vordergründig Spektakuläres vorfinden. Es gibt keine glanzvolle Judaikasammlung, sondern eine Dauerausstellung die, zusammengesetzt aus Spuren, Überlebseln und Relikten, die von vielen Leerstellen durchsetzte Geschichte der jüdischen Gemeinde Hohenems, die Umständen ihrer gewaltsamen Vertreibung und Vernichtung und die Einzeichnung dieser Geschichte in das Stadtbild und –gedächtnis erzählt.
Was dem zufällig ein- oder zweimal vorbeikommenden Besucher verborgen bleiben wird, sind die vielen Veranstaltungen, die sich in vielen Formaten, an vielerlei Adressatenkreise wenden und in denen ebenso vielfältige Themen diskutiert werden. Das reicht von der Debatte über ein bemerkenswertes einzelnes Objekt aus der derzeit laufenden Sonderausstellung „Übrig“, in der sowohl die vom Museum betriebene genealogische Forschung als auch die dokumentarische Bedeutung von Sammlungsobjekten zur Sprache kommt bis zur großen Diskussion mit an die fünfzig Expertinnen und Experten aus Anlass des Jubiläums. Dort ging es um nicht mehr und nicht weniger als um die wünschbare Zukunft Jüdischer Museen generell und des Hohenemser Museums im besonderen.
Was unser Einmal-Besucher vielleicht spüren wird, ist, wie sehr das kleine Museum Ort der Vergesellschaftung ist, das heißt einer an dem Menschen zusammenkommen um den Grund und die Weise ihres Zusammenlebens zu ergründen, manchmal vielleicht auch zu erneuern, ihre gemeinsame Geschichte zu deuten, die Beziehung zu ihren sozialen Umwelten zu erforschen, auch zum allgemein Fremden und Anderen. Denn zu den herausragenden Möglichkeiten von Museen gehört die Möglichkeit dem „Anderen“ in einem geschützten Raum und zivilen Rahmen zu begegnen.

Deswegen sind Museen auch geeignet, eine wesentliche demokratische Aufgabe wahrzunehmen, die Sorge um Minderheiten, um die immer wieder von Konflikten bedrohte Beziehung von Mehrheit und Minderheit. Jüdische Museen bleiben auch deswegen unausweichlich an historische und aktuelle Konflikte gebunden. Denn während die ersten Jüdischen Museen von Jüdischen Gemeinden gegründet wurden, zu Ende des 19. Jahrhunderts, als Symptome der Assimilation und des Selbstbewusstseins dieser Gemeinden, sind die jüngeren Gründungen, die seit den 80er-Jahren in den deutschsprachigen Ländern entstanden sind, unausweichlich von der Dialektik von Täterschaft und Opfer, von Schuldbewusstsein und Anerkennung von Schuld geprägt. Und immer mehr auch vom Blick auf die „Anderen“ von heute, auf die komplexen Fragen von Zugehörigkeit und Anerkennung, die Gegenwart von Einwanderung, Flüchtlingsdebatten und Identitätspolitik. Letztlich also die Frage, wer eigentlich den „Demos“ der Demokratie von heute ausmacht. Wer „wir“ sind und wer zu „uns“ gehört und gehören soll.

Deswegen ist es von belang, daß das Museum aus einem Konflikt heraus gegründet wurde: es hat früh die Fähigkeit ausgebildet und sich erhalten, konflikthafte Themen zu bearbeiten, in Debatten, Projekten und Ausstellungen. Die laufende Ausstellung „Übrig“ zum Beispiel, die Objekte aus der Sammlung zeigt, zeigt sie nicht nur als glücklich überlieferte Zeugnisse, sondern auch als Dokumente vielfältiger Konflikte, solcher der Überlieferung, des Gebrauchs, der Geltung, der Deutung.
Anders gesagt, das Museum übt sich in der in der avancierten Museologie nachdrücklich geforderten Kunst der Selbstreflexion. Damit bin ich beim zentralen Punkt meiner anhaltenden Wertschätzung des Jüdischen Museums. Ein Museum das sich entwickelt, das in gewisser Weise „lernt“ – als Organisation, als Wissensraum, als besondere Form von Öffentlichkeit -, hat immer auch einen Blick auf das, was es ist und wie es etwas tut. Es geht verantwortlich damit um, wie es seine Themen wählt und welcher Vermittlung es bedarf. Und vor allem wird es sich immer und immer wieder die Frage stellen, welche Verantwortung es gegenüber seinen Communities und der Gesellschaft als Ganzes hat. Denn das ist der Sinn des Museums als öffentlicher Institution: Es verwaltet und bearbeitet gesellschaftliche Interessen treuhänderisch.

Ich erläutere das an der Projektreihe „Ein Viertel Stadt“. Der Umgang mit dem historischen Stadtkern von Hohenems, dem Jüdischen Viertel, war in den 90er-Jahren vielfach ins Gerede gekommen. Immobilienspekulationen zeichneten sich ab, die Denkmalpflege erwog eine komplette Unterschutzstellung. Es hätte aber auch ganz im Gegenteil zum Verschwinden wichtiger, auch historisch bedeutender Bauten kommen können. Tatsächlich brannte ein wichtiges Objekt unter ungeklärten Umständen ab.
In dieser Situation intervenierte das Museum in den kommunale Debatten, verließ dazu sein Haus und ging in die Stadt um an ausgewählten Fassaden über Projektionen die Geschichte der Häuser und ihrer Nutzer und Bewohner zu erzählen und zu erinnern. Daß das Museum Mitverantwortung für die künftige Entwicklung der Stadt übernahm, war schon bemerkenswert. Daß man dabei aus dem Museum herausging und, gestützt auf sorgfältig vorbereitende Forschung, im Stadtraum selbst aktiv wurde, war erst recht originell - und wirksam. Die Projektreihe Projekts „Ein Viertel Stadt“ holte verschüttete, vergessene, verdrängte Geschichte und Geschichten zurück und verankerte sie neu im Gedächtnis der Stadt und ihrer Bevölkerung.
Die Bedeutung dieses Projekts liegt auch in der aktiven Beziehung des Museums zum Publikum bzw. zu den Stadtbewohnern. Es verhielt sich nicht passiv im Warten auf Besucher, die etwa schöne alte Dinge ansehen wollen, sondern erzeugte eine Gelegenheit und einen Raum, in dem sich Menschen zusammenfinden, sich sammeln, erinnern und debattieren konnten.
Das Museum gab keine Empfehlungen ab, es favorisierte keinen bestimmten Gesichtspunkt, es tat nicht so, als hätte es die eine „richtige“ Lösung. Sondern es stellte einen sozialen Raum zur Verfügung, in dem debattiert werden konnte, um es der Bevölkerung von Hohenems zu ermöglichen „ihre eigenen Angelegenheiten“ zu regeln. Genau das meint ja „Res publica“ – die öffentlichen Angelegenheiten und genau das war und ist der Sinn liberaler Öffentlichkeit. Sie gehört zum Kostbarsten und Grundlegenden, das eine demokratische Gesellschaft besitzt und meiner Meinung nach zum Wichtigsten, was ein Museum dazu leisten kann.
Daß die Synagoge aus einem Feuerwehrhaus zurückverwandelt werden und zu einem der praktischen und symbolischen Zentren des Ortes werden konnte, daß das Zentrum der Kleinstadt mit „Judengasse“ und „Christengasse“ heute wieder Leben zurückgewinnt, dass man in Hohenems öffentlich darüber diskutieren kann, wie denn ein „ortsübliches“ Minarett aussehen könnte, all das wurde durch solches Projekt erst möglich.

Räume zu besitzen, wo ein solcher Austausch von Interessen unter Achtung und Anerkennung des Anderen stattfinden kann, wo Konflikte sichtbar gemacht und unterschiedliche Interessen miteinander konfrontiert werden, ohne daß sie vorschnell harmonisiert werden, daß ist ein Herzstück demokratischer Politik. Die Fähigkeit des Museums, solche Gelegenheiten in den unterschiedlichsten Formen immer wieder herzustellen, daraus sein Programm zu entwickeln, seine Anliegen an eine zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit zu vermitteln, das ist es, was ich am Jüdischen Museum Hohenems bewundere. Angesichts der akuten gesellschaftlich-politischen Entwicklung wird es immer wichtiger, solche Orte zu haben und zu fördern.

Aber wie das Hohenemser Museum das macht, dafür gibt es viele Wege. Das reicht von der Aufmerksamkeit für den einzigartigen Jüdischen Friedhof über das außergewöhnliche Nachkommentreffen mit hunderten von Teilnehmern, die sich ihrer Vorfahren erinnern und die das kleine Museum mit seinen diversen fernen Communities buchstäblich auf der Weltkarte verankern, bis zu zur Serie von Sonderausstellungen, die die Dauerausstellung thematisch interpunktieren, vom Betreiben einer informativen Webseite, die eben mehr ist als nur ein übliches Marketingtool bis zur Forschungstätigkeit im Haus und zur jährlichen Europäischen Sommeruniversität für Jüdische Studien.

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Dieses beständige Abarbeiten an einer Aufgabe, im Wissen um die Schwierigkeiten Geschichte vermitteln, weist für mich immer aber auch über den Museumstyp „Jüdisches Museum“ hinaus - auf Qualitäten einer Museumsarbeit, die beispielhaft für andere Museen sein kann und sollte. Diese „doppelte Qualität“ – als jüdisches Museum mit seinen spezifischen Aufgaben und Verpflichtungen einerseits und als innovatives und reflexives Museum andrerseits, das sich seiner öffentlichen Verantwortung stets bewußt ist – das macht Hohenems zum einzigartiges Museum.