Mittwoch, 2. März 2011

Die Hologramme des Jüdischen Museum hätten demontiert werden können. Die Errichtungsfirma meldet sich zu Wort.


Den folgenden Brief veröffentliche mit Zustimmung seines Autors. Er stellt klar, daß die Konstruktion der Hologramme einen Abbau möglich gemacht hätten. Der Brief zirkuliert spätestens seit gestern und dürfte die APA-Meldung über ein Gutachten ausgelöst haben, die heute die Wien-Holding aussenden ließ. Auf den Brief von Herrn Haring an Frau Direktor Spera reagierte eben auch Thomas Trenkler in Der Standard.

23.2.2011

Sehr geehrte Frau Doktor Spera!

Sie schreiben an die Fritsch Stiassny Glastechnik GmbH, Herrn Ing. Wech, es würden im Zusammenhang mit den Hologrammen im Jüdischen Museum Wien „öffentliche Behauptungen“ aufgestellt und fordern ihn auf technische Erläuterungen bekanntzugeben. Erlauben Sie mir, dass ich dazu folgende Erklärungen abgebe: Mein Name ist Heinz Haring und ich war von 1986 bis 2006 Betriebsleiter und Geschäftsleiter der Fa. Fritsch Stiassny Glastechnik am Czerninplatz 1 in 1020 Wien. Nach erfreulich verlaufenden Verhandlungen mit dem Eigentümer der Gesellschaft, der französisschen Saint Gobain Gruppe, werde ich mit 1.3.2011 die Aktivitäten der Fritsch Stiassny Glastechnik GmbH übernehmen.

Mein Ziel ist es, das Unternehmensportfolio und die Marke mit seiner mehr als 100-jährigen Geschichte im besten Sinne der handwerklichen Tradition, verbunden mit meinem persönlichen Know How und dem Einsatz modernster Technologien weiterzuführen. Mit diesem Verständnis hat sich Fritsch Stiassny schon in den vergangenen Jahren zu einem hervorragenden, kompetenten Fachbetrieb und einem zuverlässigen, wertvollen Partner für Architekten, Bauherren und Künstler entwickelt.

Auf unserer Referenzliste stehen zahlreiche prominente Objekte wie die Vienna Twin Towers, die Ringstrassengalerien, das Palais Coburg, das Palmenhaus im Burggarten, die Österreichische Nationalbank und auf dieser Ebene sind wir stolz darauf, dass auch Ihr geschätztes Haus zu unseren Referenzen zählt.

Im Jahr 1995 durften wir in Zusammenarbeit mit Herrn Architekt Martin Kohlbauer für das Jüdische Museum Wien die Stahl-Glaskonstruktionen für die Aufnahme von Hologrammen entwickeln. Auf Grundlage der Architektenplanung sowie statischer Berechnungen haben wir damals die Gesamtkonstruktion im Detail geplant, geliefert und montiert. Die Glashalterungen wurden dabei in Form von horizontalen, linienförmigen Einspannungen konstruiert. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Teile zu einem späteren Zeitpunkt demontiert werden können. Die Konstruktion wurde aus einseitig am Boden verschraubten Winkelkonsolen mit entsprechenden Gegenplatten gebaut. So wurde erreicht, dass die Glasplatten in die Glashaltekonstruktion „eingeklemmt“ werden können und dadurch die erforderliche Festigkeit ohne weitere Befestigung erzielt wurde. Und zwar ohne eine Verklebung einzusetzen. Als Zwischenlagen wurde Klingersil eingesetzt. Dieses Material gewährleistet eine optimale Druckverteilung und verhindert punktuellen Druck auf das Glas, klebt jedoch nicht.

Kurz gesagt: Die gesamte Konstruktion war geschraubt. Lediglich die Verankerung der feststehenden Bodenkonsole wurde geklebt. Dies hatte jedoch keinen Einfluss auf die Demontierbarkeit der Glaselemente. Beim Versuch der Demontage hätte es genügt, die Schrauben der Gegenplatte zu öffnen um feststellen zu können, dass keine kraftschlüssige Verklebung vorliegt. Kurz vor Weihnachten 2010 hat Ihnen Fritsch Stiassny Glastechnik auf die Anfrage aus Ihrem Haus die Demontage der Gläser mit den Hologrammen angeboten. Noch am 21.1.2011 wurde eine gemeinsame Besichtigung für die KW 4 in Aussicht gestellt (Ihr Schreiben vom 21.1.2011). Zwei Arbeitstage nach diesem Schreiben haben Sie dann per E-Mail am 25.1.2011 mitgeteilt, dass sich der Termin bezüglich der Demontage der Hologramme im JMW mittlerweile erübrigt hätte.

Sehr geehrte Frau Doktor Spera, was auch immer dazu geführt hat, dass die Arbeiten nicht im Sinne Ihrer ursprünglichen Anfrage und unseres Angebotes ausgeführt wurden: Das liegt nicht in unserer Verantwortung und nicht an der von uns errichteten Konstruktion. Wenn wir von jemandem gefragt werden, können wir dies natürlich nur wahrheitsgemäß beantworten, egal ob öffentlich oder nicht. Schließlich leben wir von unserer Kompetenz im Glasbau. In diesem Zusammenhang verstehen Sie sicherlich auch, dass ich Sie ersuchen muss nicht öffentlich zu behaupten, dass die Anlage nicht demontierbar gewesen sei. Diese Behauptung unterstellt eine unsachgemäße Errichtung durch uns und könnte deshalb unseren Ruf und unser Fortkommen beeinträchtigen.

Gerne erwarte ich die Richtigstellung aller diesbezüglichen Aussagen seitens des JMW, insbesondere auf der Website des JMW.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass wir gerade im Kunst- und Museumsbereich über entsprechende Erfahrung und besonderes Know How verfügen. Ausstellungen und Installationen im In- und Ausland, unter anderem für Eva Schlegel, Dan Graham, Brigitte Kowanz, Monica Bonvicini / Sam Durant u. a. konnten wir immer gut im Sinne unserer Auftraggeber realisieren. Ich stehe Ihnen und Ihren Fachverantwortlichen für ein persönliches Gespräch zur Verfügung und hoffe, dass ich mit meiner Erklärung den Sachstand aufklären konnte. Der Ordnung halber möchte ich betonen, dass ich diese Zeilen nicht in meiner Eigenschaft als Sachverständiger sondern als zukünftiger Eigentümer des betroffenen Unternehmens an Sie richte.

Mit besten Grüßen 
Heinz Haring
Paniglgasse 24
1040 Wien

Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Glaserarbeiten, Glasbearbeitung, Isolierglas, Glaskonstruktionen und Verglasungen Fachgebiete 74.21, 74.23, 74.30, 74.40

Kommentar in DIE PRESSE online
Kommentar in Der Standard online
Kommentar in Wiener Zeitung online
Kommentar ORF.at 

Jüdisches Museum Wien - CSI übernehmen sie!

Immer merkwürdigere Züge nimmt die Debatte um den Abbruch der Hologramme des Jüdischen Museum der Stadt Wien an. Jetzt geht’s offenbar (nur noch) um eine graue Masse und ihre Eigenschaften…

Wie erinnerlich spielt die Frage eine Rolle, ob die Hologramme ohne Zerstörung hätten demontiert werden können oder nicht. Daran hängt dann die Beurteilung, ob die Museumsleitung beim Abbau dieses Teils der Dauerausstellung einem technischen Sachzwang gefolgt sei und ob es ihr damit unmöglich war, zumindest Teile der Hologramm-Installation zu bewahren.
Obwohl mit dieser Frage nach wie vor die grundsätzlichere nach dem Umgang der Museumsleitung mit der bisherigen Haltung des Hauses und seiner Ausstellungstätigkeit, die international so hoch geschätzt wurde, und zu seiner Zukunft nicht zu entscheiden ist, kommt ihr doch eine große Bedeutung zu.
Mit dem Beharren auf der Darstellung nämlich, man sei wegen der materiellen Beschaffenheit der Konstruktion an der Bewahrung der (oder Teilen der) Hologramm-Installation gehindert worden, möchte sich die Museumsleitung rechtfertigen und der Kritik allen Wind aus den Segeln nehmen.
Die heutige Presseaussendung der Wien-Holding ist insofern bemerkenswert, weil sie ein Indiz dafür ist, daß der Rechtsträger des Museums selbst die Angelegenheit bislang nicht für geklärt hielt; das hatte ja auch die Sitzung des Aufsichtsrates vor wenigen Tagen auch ergeben.
An der heutigen Presseaussendung scheinen mir besonders zwei Dinge bemerkenswert: das Fehlen von Angaben zu Autor, Wortlaut und Datum des Gutachtens und die auffallend noch immer alles offen lassenden Formulierungen.
„Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ist nicht sicher und wieso ein Gutachten sich nicht entscheiden kann, ob nun ein Kleber verwendet wurde oder nicht oder ein Dichtmaterial „kleberartige Eigenschaften“ entwickelt hat, ist erstaunlich. Denn das war ja eine der zentralen Fragen.

Hier nun der Text der Presseaussendung.

Wien (OTS) - Um die Frage zu klären, ob die Hologramme im Jüdischen Museum Wien demontierbar gewesen wären, ohne die Glasobjekte zu zerstören, hat die Wien Holding über das Jüdische Museum Wien einen unabhängigen, gerichtlich beeideten Sachverständigen eingeschaltet. Das Gutachten zu dieser Überprüfung liegt nun vor.
Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass "die Elemente zerstörungsfrei nicht voneinander getrennt werden konnten, da sie mit heutigem Wissensstand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch unter und miteinander verklebt sind, bzw. bei der Montage vor 15
Jahren verklebt wurden".
Laut dem Gutachten kommen für das Verkleben der Platten zwei Ursachen in Frage: Entweder wurde bei der Montage vor 15 Jahren ein Kleber verwendet oder die damals verwendeten Dichtbahnen zwischen den Glasscheiben bzw. ein Silikonmaterial haben über die Jahre hin
kleberartige Eigenschaften entwickelt.
"Das Gutachten bestätigt damit schwarz auf weiß den Eindruck, den wir aus den bisherigen Erkenntnissen und dem Hearing der Direktorin des Jüdischen Museums Wien in der letzten Aufsichtsratssitzung, gewonnen haben. Spera hat gewissenhaft alle Abbau-Varianten geprüft. Nachdem alle Versuche zum Abbau der Installation, ohne diese zu beschädigen,gescheitert waren, ist letztendlich nur mehr der vollständige Abbruch der Hologramme als Alternative geblieben. Ich hoffe, dass nun alle Beteiligten wieder von der emotionalen Diskussionsebene zu einer konstruktiven und auf die Zukunft des Jüdischen Museums Wien ausgerichteten Arbeit zurückkehren können", so Wien Holding-Geschäftsführer Komm.-Rat. Peter Hanke.


Siehe auch den Post "Blow up". Hätte man die Hologramme erhalten können?

Montag, 28. Februar 2011

Entrée in den Krieg (Entrée 17)

"Vorbild und Leitplanke". Peter Noever wird Kunstheiliger

Ich hab schon wieder nicht aufgepasst. Eben dachte ich noch, von den Medien in die Irre geleitet (z.B. hier vom Standard), gegen Peter Noever wird vom Aufsichtsrat Starfanzeige erstattet, um erhebliche finanzielle Transaktionen auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen, da  merke ich, daß ich einer Kampagne aufgessessen bin, auf die reinzufallen mich Markus Mittringer und eine mir bislang unbekannte Dame glücklicherweise mit ihrer Initiative (hier die Webseite Pro Peter Noever) hindern. Erschrocken lese ich, daß das "lokale Mitelmaß nicht dominieren darf" und ich deshalb sofort auf eine unschuldsweiße Webseite hinschreiben soll, was ich von Petzer Noevers "Lebenswerk (...) und damit zu einer Haltung, die Kunst als unverzichtbaren Baustoff unser aller Zukunft voraussetzt!" alles sagen will. Aber das beste ist ja schon längst gesagt, zum Beispiel, daß er "Vorbild und Leitplanke" war (Klaus Albrecht Schroeder), oder dass "ES EMPÖREND", ist "DASS MAN PETER NOEVER KRIMINALISIERT INDEM MAN SICH AN DIE STAATSANWALTSCHAFT WENDET. MAN SOLLTE SICH MIT IHM DIREKT AUSEINANDERSETZEN UM DEN TATSACHEN AUF DEN GRUND ZU GEHEN." Jawohl, da schließe ich mich Oswald Oberhubers Großschreibung gerne an und seiner Erfahrung im Umgang mit Gerichten, die den Tatsachen nicht auf den Grund gehen. Und natürlich stimme ich Daniel Spoerri aus vollem Herzen zu: "Hoffentlich kannst Du noch viele weitere Geburtstage mit Deiner Mutter feiern." Sowas kann nur hierzulande passieren, wo das "lokale mittelmaß" herrscht. "Hätten Sie in Italien" läßt uns Ursula Krinzinger wissen, "die Geburtstagsfeier für Ihre Mutter in einem eigenen Museum ausgerichtet, im Land, wo „La Mamma“ alles bedeutet und unendlich viel gilt, man hätte Sie dafür bewundert und gefeiert, es wäre Ihnen nichts passiert und Sie hätten dort selbstverständlich Ihre wertvolle Tätigkeit fortsetzen können."

Sonntag, 27. Februar 2011

???

Bis zum Einsendeschluß, der sich mit dem Datum des Ereignisses deckt, das Tirol einen neuen Mittelpunkt verschafft, nehme ich gerne Vermutungen entgegen, worum es sich dabei handeln könnte. (Wird fortgesetzt).

Am Spiess (Texte im Museum 185)

Jüdisches Museum: Wer sprechen darf und wer nicht.

Fast völlig auf die "Personalfrage" zugespitzt reagierte das ORF Mittagsjournal vom 23.02.2011 auf die Vorgänge im Jüdischen Museum.
Dorothee Frank referierte in einem vergleichsweise zu anderen Medienberichten äußerst sachlichen Beitrag die unterschiedlichen Positionen. Plötzlich scheint unbestritten, daß man sich bemühen muß, Felicitas Heimann-Jelinek am Museum zu halten.
Allerdings kommen in dem dreieinhalbminütigen Beitrag Ariel Muzikant, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde zu Wort, der Leiter der Wien Holding, Peter Hanke und die Direktorin des Museums, Danielle Spera, nicht aber die Betroffene, die offenbar ein so lückenloses Sprechverbot hat, daß ihr auch gegenüber dem ORF keine eigene Meinung zugestanden wurde.

Der Beitrag kann hier nachgelesen und nachgehört werden.

"IKG-Aufsichtsräte besorgt, Wien Holding vertraut"

Jüdisches Museum: IKG-Aufsichtsräte besorgt, Wien Holding vertraut

(Derzeitige Information der Israelitischen Kultusgemeinde auf ihrer Webseite http://www.ikg-wien.at/?p=5504)

Besorgnis seitens der IKG-Aufsichtsräte, aber Rückendeckung durch die Wien Holding erfährt die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Danielle Spera, in der Causa der beim Umbau zerstörten Hologramme. Wien Holding-Chef Peter Hanke forderte heute, Mittwoch, in einer Aussendung, eine Rückkehr zur “Sachlichkeit” in der Diskussion. Die Aufsichtsräte der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) hatten in einer Erklärung nach der Aufsichtsratssitzung am Montagabend “nachdrücklich” ihre Sorge über die Zukunft des Hauses ausgedrückt.
Dem Museum könnten “ernsthafte Probleme” entstehen, sollte Chefkuratorin Felicitas Heimann-Jelinek aufgrund der emotional aufgeladenen Situation um die Hologramme das Museum verlassen. Heimann-Jelinek, deren Idee die Hologramme ursprünglich waren, war über die Zerstörung nicht informiert worden und hatte dann die Fotos der Scherbenhaufen ohne Absprache mit der Direktion veröffentlicht. Sie müsse nun mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen. “Dann verliert das Museum eine einzigartige Fachfrau”, so Ariel Muzicant heute im “Ö1"- Mittagsjournal. Sowohl Hanke als auch Spera betonten allerdings, mit der Kuratorin Gespräche über die Zukunft führen zu wollen.
Die Hologramme, die Szenen aus dem Alltag jüdischen Lebens darstellen, hätten dem Umbau-Konzept zufolge eigentlich abgebaut und gelagert werden sollen. In der Wien Holding zeigte man sich überzeugt, dass Direktorin Spera “gewissenhaft alle Abbau-Varianten geprüft hat und letztendlich – nachdem alle Versuche zum Abbau der Installation, ohne diese zu beschädigen, gescheitert waren – nur mehr der vollständige Abbruch der Hologramme als Alternative geblieben ist”. Spera, die seit dem Sommer 2010 an der Spitze des Hauses steht, genieße daher “unser volles Vertrauen”. Es sei eine Tatsache, “dass diese Installation am Ende ihrer Lebensdauer angelangt war”, die Entfernung sei im Gesamtkonzept “mit allen abgestimmt” gewesen.

Schädlinge und Nützlinge (Texte im Museum 184)

Ötzi reviseted

Unlängst bin ich mit Beat Gugger, der als Kurator an der kommenden Ausstellung im Südtiroler Archäologiemuseum mitgearbeitet hat, zusammengesessen. Er hat mir Geschichten über Geschichten von seinen Recherchen erzählt, warum man den Ötzi überhaupt gefunden hat, wie man ihn zuerst für einen verunglückten Skifahrer hielt, welche Theorien es für den gewaltsamen Tod gibt. Dann von Interviews mit Reinkarnationen von Ötzi, von brachliegenden Archiven, von Forschungsarbeiten, von genealogischen Theorien, von den Sicherheitsvorkehrungen in Österreich und Italöien anlässlich der "Überführung" der "Mumie" nach Bozen...
Ja, diese Geschichten hatten mich von Anfang an an dem "Fund" und der Resonanz, die er auslöste, fasziniert, diese nicht zu bändigenden Phantsamen, in den sich uralte Sehnsüchte nach Wissen um die Herkunft und um den "Vater" zeigten, Wunschphantasien von einem kollektiven, sogar einem nationalen "Wir", das der Mann aus dem Eis bediente. Und vor allem, Phantsamen des Überdauerns, der Unsterblichkeit, der Einschreibung in das scheinbar unabschließbare Gedächtnis von Wissenschaft und Museum...

Jetzt scheint sich das Museum entschlossen zu haben, sich von den rationalisierenden Zugriffen der Wissenschaften und der Museumsdeutungen ein wenig zu emanzipieren. Ab 1. März hat dann die Ausstellung geöffnet, die unter dem Titel Life Science Fiction Reality - Ötzi 20 - die Mythologien um Ötzi zum Thema machen wird.

Gerade zur richtigen Zeit kommt da eine neueste Rekonstruktion, die mir gestern bei Lektüre der Morgenzeitung entgegen..., nein, Lachen kann Ötzi nicht. Da sah er eher aus wie ein verknitterter Hartz IV - Empfänger mit vernachlässigter Kopfhygiene. Kamm muss er aber schon gehabt haben, denn woher sonst der sauber gezogene Linksscheitel? Und der mißtrauische Blick? Gilt den Museologen, oder?

(Foto oben: Ausschnitt aus der Einladung. -- Ötzi als Wiedergänger? Gespenst? in Faschingslaune? Vor der Denkmalenthüllung? - Foto unten: Die neueste Ötzi-Rekonstruktion, wie sie derzeit durch so gut wie alle Medien wandert).
Hier zum Post "Ötzi darf nicht sterben".

Die "Ahnungsschatten" der Geschichte. Die Auslandspresse zum Jüdischen Museum Wien

Paul Jandl findet offenbar Peter Noevers Mutterliebe interessanter, als das Jüdische Museum. Wer reif fürs Museum ist in Welt Online 26.2.2011 ist zwar launig geschrieben aber nicht eben tiefschürfend. Mit Michael Frank, der in der Süddeutschen (25.2.2011) sich gleich nur Peter Nover beschäftigt, "Mutig aber zu selbstherrlich", scheint er in der Diagnose einer Tendenz einig: "Die Zeit der monumentalen Herrscher über Wiens Museen ist endgültig vorbei.". Bei Jandls ist das so formuliert: "In der Stadt, wo Museumsdirektoren bisher gerne auch Komödianten oder Charakterdarsteller waren, gewöhnt man sich nur langsam ans Berufsbild des dezent im Hintergrund werkenden Kunstarbeiters."
Wer in den namhaften deutschen Zeitungen Artikel zu den Vorgängen um das Jüdische Museum sucht, wird am elaboriertesten derzeit in DIE ZEIT (Ausgabe 24.2.2011, der artikel scheint nicht online zu sein) bedient.
Joachim Riedl findet, daß hier im Bemühen einer neuen Leitung, einem Museum seinen Stempel aufzudrücken, zu weit gegangen wurde. Man kann nicht etwas machen, was die Identität des Hauses unwiderbringlich schädigt. "Genau dies geschah im Fall des Jüdischen Museums der Stadt Wien." Riedl würdigt ausführlich die komplexe Funktion der "Ahnungsschatten", wie er die Hologramme nennt. Was die Museumsleitung hier aber an Neubeginn setzte, nennt er eine "Dekonstruktion" mit dem "Vorschlaghammer". Zu retten scheint nichts mehr. Zwar sei die Option einer neuen (Dauer)Ausstellung zum Judentum zwischen "historischer Tiefe" einerseits oder Society-kompatibles Accessoire" nach wie vor offen. Aber die Lücke, die durch die Zerstörung der Hologramme entstanden sei, könne nicht mehr geschlossen werden. "Wenn die Scherben längst weggefegt worden sind, bleibt in dem nunmehr dekonstruierten Museum ein virtueller Scherbenhaufen bestehen."
Das Schweizer Jüdische Wochenmagazin "tachles" bringt (25.2.2011, Link hier) die Vorfälle aus Wien auf ihre Titelseite und Valerie Wendenburg fasst die Ereignnise sachlich und übersichtlich zusammen, nicht ohne sich über die Reaktion der Musuemsleitung nach dem Aufflammen der Kritik zu wundern. Ähnlich wie Joachim Riedl scheint sie die Verabschiedung vom "bisherigen erfolgreichen Konzept" als endgültig einzuschätzen.
In "aufbau" (vom 25.2.2011), einem weiteren Jüdischen Monatsmagazin, stellt Yves Kugelmann unter dem Titel "Wiener Kristallnächte und -tage" die Frage "Was haben Silvio Berlusconi, lic. iur. Karl-Theodor zu Guttenberg und Danielle Spera gemeinsam?". Seine Antwort lesen Sie besser selber nach, unter diesem Link. 

Mittwoch, 23. Februar 2011

"Blow up". Hätte man die Hologramme erhalten können?

Jetzt bin auch noch "investigativer Blogger" geworden, wer hätte das gedacht, und habe ein wenig zu der Frage der Erhaltbarkeit der Hologramme recherchiert. Ich teile nach bestem Wissen und Gewissen mit, was ich herausgefunden habe und stelle fest, daß es, wie so oft, bei offenen Fragen bleibt.
Einen Abtransport großer Bauteile könnte ich mir (siehe unten) - technisch aufwendig und wahrscheinlich teuer - schon vorstellen und ob Hologrammerzeuger und Glasermeister die ultimativen Experten im Umgang mit einem restistenten Klebstoff sind, kann man hinterfragen.
Die technische Erhaltbarkeit der Hologramme stand nie im Zentrum der Argumente der Kritiker des Vorgehens der Museumsleitung. Darauf zu insistieren, es sei einfach technisch unmöglich gewesen, war und ist noch immer ein entlastendes Argument. Wer auf der Frage der technischen (Un)Lösbarkeit beharrt, erspart sich alle museologischen, ausstellungspolitischen und historiografischen Fragen.
Ganz praktisch für die Defensive, aber - wie die Informationen unten zeigen - kaum tauglich, um die weitere Diskussion um den Umgang des Museums mit seinem 'technischen Gedächtnis' Ausstellung und um die Zukunft des 'lebendigen Gedächtnisses' seiner Ausstellungsproduktion und -politik abzublocken.



Über seinen Kommentar zu einem der Posts zum Jüdischen Museum der Stadt Wien bin ich mit Irmfried Wöber in Kontakt gekommen. Herr Weber hat in Niederösterreich eine Firma, die Hologramme herstellt und er war seinerzeit an der Produktion der Hologramme für das Jüdische Museum beteiligt. Auf der Grundlage von Plänen von Martin Kohlbauer und Felicitas Heimann Jelinek wurden von ihm jene Fotografien hergestellt (ein technisch und logistisch aufwendiges Verfahren), die in einer nicht mehr existierenden Firma in München (Holovision) in Hologramme 'verwandelt' wurden. Die Hologramm-Filme wurden nach Wien gebracht und hier zwischen Glasplatten (wegen der günstigeren Lichtbrechung wurde Sicherheitsglas und nicht billigeres Plexiglas verwendet) montiert.
In einem Mail schreibt er: "Die ursprüngliche Montage wurde durch einen Bautrupp hergestellt. Die beiden Glasplatten sind nicht zueinander verklebt worden, nur der holografische Film aus Stabilitätsgründen. Es wurde keine Verklebung in den Aluminiumprofilen vorgenommen."
Im Gespräch wird deutlich, daß Herr Wöber diese spezielle Anfertigung und Montage der Hologramme als Installation als weltweit einmalig einschätzt: Ein Ensemble von frei im Raum stehenden Hologrammen, zwischen denen man sich bewegen konnte und die, die untereinander und mit dem Betrachter interagierten, und die um ihre Wirkung zu entfalten, ein äußerst ausgeklügeltes Belichtungssystem benötigten. Deshalb seien diese Hologramme unter Holografen weltweit bekannt gewesen und und auch - wegen ihrer technischen Eigentümlichkeit und Einzigartigkeit - von vielen Spezialisten besucht worden.
Das zweite Set der Hologramme, erwähnt Herr Wöber, wurde im Zuge der Produktion in München hergestellt - als sogenannte 'Testbelichtungen'. Qualitativ selbstverständlich weitaus schlechter als die unikalen Originale.
Da der schlechte Zustand der Hologramme selbst mehrmals als Rechtfertigung für deren Abbau genannt wurde, frage ich Herrn Wöber nach der Haltbarkeit von Hologrammen generell. Hologramme, wenn sie sorgfältig hergestellt wurden, hätten eine sehr lange Haltbarkeit. Nur wenn, ähnlich wie beim Entwickeln eines Films, nicht sorgfältig gearbeitet werde, könne es zum Nachdunkeln kommen. Herr Wöber führt als Argument die aus den 60er-Jahren stammenden, ältesten existierenden Hologramme an, die noch immer intakt seien. Wir sind uns einig (beide haben wir die Hologramme relativ kurz vor ihrer Demontage gesehen), daß wir keine Beeinträchtigung der Wirkung und Funktion der Hologramme bemerkt hätten.
Herr Wöber erwähnt gesprächsweise, er sei jetzt in der fraglichen Angelegenheit nicht vomMuseum kontaktiert worden und das sei seinem Wissen nach auch nicht mit ehemaligen Mitarbeitern der erwähnten (nicht mehr existierenden) münchner Firma geschehen.
Abschließend schreibt Herr Woeber in seinem Mail vom 22.2.2011: "Es existieren keine Fotosequenzen mehr und vor allem sind die Masterhologramme (zur Vergrößerung zum endgültigen Format) nicht mehr vorhanden. Ich meine damit, daß diese Installation endgültig in dieser Qualität verloren ist. Schade. Sollte man in einer Geschichte vollständig dokumentieren. Ein Meilenstein in der Geschichte der Holografie existiert leider nicht mehr. Es ist zum Heulen."
Da Herr Wöber bei der Montage der Holgramme im Raum nicht dabei war, wende ich mich telefonisch an die Firma Briza, die ja schön öfter genannt wurde. Sie war mit der Demontage von Vitrinen im Museum beauftragt und wurde - offenbar spontan - beigezogen, als sich die Schwierigkeiten bei der Hologramm-Demontage abzeichneten. Herr Briza betont, daß man diese Glasart nicht schneiden könne und daß wohl die Verschraubung (also die Hologramme vom Boden) bereits gelöst war, aber der Kleber nicht bearbeitbar war.
Das widerspricht teilweise der Erinnerung von Herrn Wöber: "Auch Rudi de Jongh (einer der an der Produktion der Hologramme Beteiligten GF) ist meiner Meinung einer lösbaren Demontage. Die ursprüngliche Montage wurde durch einen Bautrupp hergestellt. Die beiden Glasplatten sind nicht zueinander verklebt worden (…) Es wurde keine Verklebung in den Aluminiumprofilen vorgenommen. Die Aluminiumprofile sind mit dem Fußboden durch entsprechende Dübel angeschraubt worden. Das heißt, man konnte die gesamte Einheit demontieren und dann in einer Fachwerkstätte entsprechend zerlegen. Laser, Wasserstrahl und ähnliche technische Geräte."
Herr Briza hingegen sagt (in einem Telefonat vom 23.2.2011), daß die Hologramme zwar vom Boden bereits gelöst waren, allerdings waren die einzelnen Komponenten wegen der Verklebung nicht voneinander trennbar. Deshalb seien schwere, händisch nicht mehr transportierbare und große Teile entstanden, die man nicht durch das Haus hätte abtransportieren können. Er betont nochmal, die Gläser hätte man mit keiner Technik ab- oder zerschneiden können.
Das Museum sei am beschädigungsfreien Abbau der Hologramme und ihrer Erhaltung interessiert gewesen, aber es habe sich die Undurchführbarkeit während der Demontage herausgestellt.
Den veröffentlichten Brief seiner Firma nennt er eine Stellungnahme, das sei kein Gutachten, dazu sei er nicht befugt.


Ich danke Herrn Wöber und Herrn Briza für ihre Informationen.

Ein Museumsdirektor tritt zurück: Peter Noever

....eine Art Freigeistanarcho 
mit generations- und genderbedingtem 
Hang zu Kampfrhetorik...
 

Die Presserklärung Peter Noevers im Wortlaut:

„Im Zuge der Veranstaltungen im MAK rund um den Geburtstag meiner Mutter sind über Bereitstellung der Räumlichkeiten bzw. angefallenen Überstunden auch zusätzliche Aufwendungen entstanden, die vom MAK getragen wurden. Ich habe dies dem Vorsitzenden des Kuratoriums mitgeteilt und mich gleichzeitig verpflichtet, den gesamten, daraus resultierenden Betrag abzudecken.

In diesem Zusammenhang habe ich Fehler gemacht, für die ich alleine verantwortlich bin. Ich hätte retrospektiv die Veranstaltungen – auch wenn sie dem Museum genützt haben – der Privatsphäre zuordnen müssen. Ich bedaure diese Fehler und den Umstand, dass diese Veranstaltungen über Jahre so durchgeführt wurden. Um nun weiteren Schaden vom MAK durch die öffentliche Diskussion dieser Angelegenheit abzuhalten und die Angelegenheit auch von meiner Seite im Sinne einer vollständigen Bereinigung ohne Beeinträchtigung des von mir übernommenen Amtes rasch und vollständig zu Ende bringen zu können, habe ich dem Kuratorium und der zuständigen Bundesministerin heute mitgeteilt, dass ich mit sofortiger Wirkung von meiner Funktion als Geschäftsführer (Direktor) des MAK zurücktrete.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei allen, insbesondere den engagierten Mitarbeitern des Hauses, bedanken, die meinen künstlerischen Weg durch die vielen Jahre begleitet und unterstützt und zum Aufbau des MAK in seiner heutigen Bedeutung beigetragen haben. Gleichzeitig bitte ich all diese Mitarbeiter, Freunde und Unterstützer des Hauses um Entschuldigung für die Probleme, die mein Verhalten in der Angelegenheit der Veranstaltungen rund um den Geburtstag meiner Mutter ausgelöst hat und um Verständnis für meinen Schritt.“

*

Die Tageszeitung Die Presse ergänzt (hier der Link) die Nachricht vom Rücktritt unter anderem mit der Mitteilung: "Die Kulturministerin hat den Rücktritt angenommen." Und in  "...einer Stellungnahme von Claudia Schmied", wird hervorgehoben, "dass auf Wunsch des Kulturministeriums Sonderprüfungen des Wirtschaftsprüfers stattgefunden hätten. Diese hätten 'dazu beigetragen', 'Malversationen des Geschäftsführers Peter Noever rasch und kompromisslos aufzuzeigen'. Seitens des Kuratoriums werde Strafanzeige erstattet."

*

"Sag ich zu ihm: Aber Herr Noever, eine etwas bodenständige Frage, finden Sie das nicht ein bisschen problematisch?" -  (Nach)lesenswert aus aktuellem Anlass. Ein 'Nachruf zu Lebzeiten' von Nina Schedlmayer in artmagazine.

Oder: "Nun ist der stilbewusste Noever sicher kein Rechter, wohl eher eine Art Freigeistanarcho mit generations- und genderbedingtem Hang zu Kampfrhetorik, dem es gelingt, in seinen wechselnden kulturpolitischen Gegenübern die Sehnsucht nach dem wilden, ungestümen Künstler hervorzurufen." Nochmal artmagazine, aber diesmal Martin Fritz.

Ausgepreist? (Texte im Museum 182)