Dienstag, 15. Februar 2011

Alles auf einen Blick: Die Diskussion um das Jüdische Museum der Stadt Wien

Seit mehr als einer Woche wird über das Jüdische Museum der Stadt Wien diskutiert. Ich kann und will hier nicht den Archivar der Debatte spielen, aber ich habe ein Interesse daran, vor allem den sachlichen Kern der Auseinandersetzung zu dokumentieren.
Das wäre nicht möglich, wenn nicht viele Kolleginnen und Kollegen Beiträge zur Verfügung stellen würden, auf Publiziertes aufmerksam machten oder selbst Zugang zu Materialien, Texten möglich machten.
Eine Schwäche eines Blogs ist seine primitive Struktur - der lineare chronologische Ablauf der Posts. Die so genannten Tags bilden so etwas wie einen Index und sind eine weitere Möglichkeit, Informationen zu sortieren.
Mit der Einfügung eines Labels "Jüdisches Museum Wien" sollten nun alle rezenten Informationen mit einem Klick aufrufbar sein.
Linker Hand von diesem Text, diese Buchstabensuppe (die unterschiedliche Größe spiegelt die Zahl der Posts zu einem Thema), das sind die "labels". In alphabetischer Reihenfolge. Einfach "Jüdisches Museum Wien" suchen, draufklicken - und schon sind alle Posts der Diskussion - wiederum chronologisch -, chronologisch verfügbar. Angezeigt werden immer nur 25 Posts. Wenn man ganz 'unten' angelangt ist, gibts den Link zu den weiteren Posts.
Nützlich für alle, die neu einsteigen oder die den Überblick verloren haben.
GF

Es scheint, vermutlich. Ein Kommentar zur Diskussion zum Jüdischen Museum

Unter dem Titel "Es scheint, vermutlich" äußert sich Nina Schedlmayer (hier der Link) zur Debatte um das Jüdische Museum der Stadt Wien und zu den Reaktionen des Museums.

Montag, 14. Februar 2011

Verzettelt (Texte im Museum 177)



Streithammer von Capt. Cooks Reisen von einem Volksstamm im hohen Norden der Westküste von Amerika mitgebracht.
Völkerkundemuseum Herrnhut

Wertigkeiten und Fertigkeiten. Die Museologin Roswitha Muttenthaler zur Bedeutung der Hologramme des Jüdischen Museums



Martin Kohlabuer: Modell für das Environment der Hologramme für das Jüdische Museum der Stadt Wien















Roswitha Muttenthaler: Wertigkeiten und Fertigkeiten
                                
Der Wertschätzung der Hologramme kann ich mich als Museologin und Kulturwissenschaftlerin nur anschließen. Was ihre herausragende Bedeutung ausmachte, ist bereits dargelegt worden. Meine Wortmeldung möchte ich daher weniger auf die physische Zerstörung legen, auch wenn ich diesen Akt wie viele andere nicht nachvollziehen kann. Doch genauso brisant wie die Zerstörung finde ich den Prozess der Demontierung ihrer Bedeutung und der Disqualifizierung einer kritischen Öffentlichkeit, wie sich dies in den bisherigen Stellungnahmen des Jüdischen Museums und zum Teil auch in der Presse abzeichnete.

Eines meiner Metiers, mit dem ich mich seit Jahren auseinandersetze, ist die Analyse von Ausstellungen mittels interdisziplinärer Methoden, mit dem Ziel, Blicke für angelagerte Deutungen zu schärfen und diese in einen Diskurs zu überführen. Bekanntermaßen ist es in Hinblick auf mögliche Konnotationen und den so genannten Subtext von erheblicher Bedeutung, welche Bilder oder Worte bei der Vermittlung von Aussagen gewählt werden.
Wenn Der Standard am 11.02.2011 bereits in der Schlagzeile mit dem Begriff „Aufregung“ operiert, werden völlig andere Konnotationen ausgelöst, als wenn etwa die Begriffe Kritik oder Diskussion verwendet würden. Die als Aufregung bezeichneten Wortmeldungen lassen in bestimmter Weise emotionalisierte Protagonist/innen assoziieren. Dies impliziert, dass der Kritik tendenziell inhaltliche Argumente, eine sachliche Berechtigung der Motive genommen wird, und so ein bestimmter Deutungs-Rahmen für das Kommende gesetzt wird. Gegen Ende des Artikels wird erneut ein emotionalisierender Moment eingebracht: die Museumsdirektorin wird mit der Redewendung, „menschlich enttäuscht“ zu sein, zitiert. Es handelt sich nicht allein um eine heutzutage in der öffentlichen wie privaten Kommunikation sehr beliebten Formulierung, sondern die Redewendung bietet unter dem Aspekt der Betroffenheit die Möglichkeit, indirekt Menschen abzuqualifizieren, die Auslöser der Enttäuschung in ein negatives Licht zu rücken und auf Mitgefühl zu rekurrieren. Dabei stellt sich mir zum einen die Frage, wem der Raum gegeben wird, seine Enttäuschung mitzuteilen. Was wäre, wenn die namentlich genannten Verursacher der Enttäuschung vice versa ebenfalls menschlich erschüttert wären? Zum anderen halte ich es für bedenkenswert, persönliche Befindlichkeiten mit inhaltlichen Argumentationen zu verschränken. Und ein No-go bilden Formulierungen, die Unterstellungen erlauben, wie sie Der Standard im ersten Artikel am 11.2.2011 machte: Kritik erscheint aus persönlicher Motivation gespeist und dass die Direktion von "Kampagnisierung" und von "Intrige" spricht, wird unkommentiert übernommen.  
Die Sprache von Presseartikeln unterliegt immer auch Anforderungen der medienwirksamen Zuspitzung. Doch  ist die Wortwahl von den Statements des Jüdischen Museums bestimmt: So ist auf der Website der Begriff „Aufregung“ ergänzt um jenes der „Erregung“. Die Konnotationen der beiden Begriffe gleichen sich, gehen aber beim Begriff Erreger noch viel weiter. Denn hier kann etwa auch das medizinisch-hygienische Bedeutungsfeld aufgerufen werden, in dem der Begriff klar negativ besetzt ist: Erreger von Krankheiten, Seuchen etc. Was bedeutet dieses Konnotationsfeld für die von Kritiker/innen geäußerten Argumente, wenn eine Stellungnahme des Jüdischen Museums mit „Stationen der Geschichte einer österreichischen Erregung“ überschrieben ist und dieser Formulierung auch den Titel einer Ausstellung bildet? Während die kritische Öffentlichkeit in einer disqualifizierenden Rhetorik gefasst wird, wählt das Jüdische Museum für seine eigenen Argumentationen Begriffe wie „Fakten“ und Formulierungen wie „Suche nach einer neuen Heimat“.
Ob solche Setzungen PR-geschulten Strategien geschuldet oder passiert sind, interessiert mich vorerst weniger. Entscheidend finde ich, wie diese wertenden Rahmungen mit dem Bestreben einhergehen, die Bedeutung der Hologramme gering zu halten. Dies lässt sich an der beharrlichen Betonung der technischen Ebene erkennen: in auf der Website des Museums veröffentlichten Statement wird ihre Form und Montierung und die angebliche Unmöglichkeit der Demontierung detailliert beschrieben, ohne ihre inhaltlichen Dimensionen zu erwähnen. Die Hologramme erscheinen als beliebig austauschbares Ausstellungsmittel, wie es Vitrinen sind. Sie werden als „eine Technologie zur Darstellung von Inhalten, die sich allerdings nicht durchgesetzt hat“ beschrieben, die nunmehr durch Abnützung „technisch ausgedient“ sind. Zudem sei durch ein zweites Set an kleineren Hologrammen gewährleistet, „dass dieses Instrument als Erinnerung an eine veraltete Technologie erhalten“ bleibt. Mit „Aufregung um veraltete Hologramm-Technologie“ titelt auch Der Standard seinen ersten Artikeln am 10.2.2011. Diese Haltung wird ergänzt durch die Aussage der Direktorin, die Hologramme seien keine Exponate. 
Wie schon im offenen Brief an die Museumsdirektion formuliert, liegt die Besonderheit der Hologramme im Zusammenfallen von Präsentation und Exponat. Doch selbst wenn die Hologramme „nur“ als Ausstellungsmittel konzipiert worden wären, stünde ihnen der Weg zum Exponat immer offen. Zum museologischen Grundwissen gehört, dass Exponate nicht per se gegeben sind, sondern von wissenschaftlichen, museologischen Disziplinen und gesellschaftlichen Diskursen geschaffen werden, wie dies Barbara Kirshenblatt-Gimblett 1991 etwa für ethnografische Objekte formulierte: „Ethnographic artifacts are objects of ethnography. They are artifacts created by ethnographers.“ Dies gilt auch für Präsentations- oder Wissenschaftsexponate. Beispielsweise werden Funktionsmodelle zur Veranschaulichung von technischen Funktionen immer wieder auch zu sammlungswürdigen musealen Objekten. Für welche dies erfolgt und welche als entsorgbares Gebrauchsgut gelten, unterliegt wie bei allen Sammelprozessen sich ändernden Zuschreibungen von symbolischen, historisch-musealen Wertigkeiten. Die Sammlungswürdigkeit erhielten die Hologramme sowohl aus der Besonderheit der Hologramme - das Zusammenfallen von Präsentation und Exponat - als auch durch ihre Relevanz in der öffentlichen und wissenschaftlichen Rezeption, durch ihre Rolle für die Ausstellungs- und Gedächtniskultur – von Martin Beck so treffend Diskursrelevanz genannt. Damit bin ich bei meinem zentralen Anliegen: Warum führt das Jüdische Museum keine Diskussion über Wertigkeiten, sondern verschiebt sie zu einer der (technischen) Fertigkeiten? Dabei hängen beide unmittelbar zusammen. Die Zerstörung mit mangelnden Fertigkeiten zu argumentieren, verdeckt, dass in der Regel die Wertigkeit auch die Fertigkeit bestimmt. Wird etwas als unwiederbringlich wertvoll betrachtet, werden erstaunliche Ressourcen und Wissenskapazitäten aktiviert, um technische Lösungen zu finden. Dass diese gar nicht so hoch gewesen wären, erklärte ein am Aufbau der Hologramme Beteiligter.

Roswitha Muttenthaler, Museologin, Kuratorin, Kulturwissenschaftlerin
Wien, 12. Februar 2011

Samstag, 12. Februar 2011

Der Kult des Hosenträgers (Texte im Museum 176)

Ausstellung "Hofer Wanted", Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck, 2009. Foto GF

Das Jubiläum der Schirnkunsthalle. Peter Iden zeigt, was Museumskritik ist.

Ein schönes Beispiel dafür, was Museumskritik sein kann, bietet Peter Iden wenn er über das Jubiläum der Schirn-Kunsthalle schreibt. Der Text tangiert Fragen der Ausstellungsarchitektur und -politik, die spezifische institutionelle Form 'Kunsthalle', den Politischen Kontext der Gründung, die Qualitäten der Leitung, die Versöhnbarkeit von Programm und Sponsorin. In Summe geht es um das, was so ein Haus gesellschaftlich und urban ist und bewirkt. Hier der Link zur Frankfurter Rundschau.

Angriff als Verteidigung. Und noch einmal: die Leitung des Jüdischen Museums erklärt uns, daß alle im Unrecht sind

Ein Überraschungsei: Die Leiterin des Jüdischen Museum der Stadt Wien läßt via Standard ein Gesprächsangebot an ihre Kritiker vermelden. Ja, sie habe ihre Kritiker (die sich in einem offenen Brief an sie gewandt hatten), eingeladen, das Gespräch mit ihr aufzunehmen.

Nur, was weder sie noch der Verfasser des Artikels (hier der Link), Thomas Trenkler, sagen: das Gesprächsangebot kam von den Kritikern selbst. "Wir würden uns sehr freuen", steht da als letzter Satz des Briefes, "Ihre Antworten auf unsere Fragen zu hören und mit Ihnen in ein Gespräch darüber zu treten." Das war vergangenen Mittwoch.
Nun, am Freitag, will es also Danielle Spera gewesen sein, die die Hand ausgestreckt habe.

Mit dem Halbsatz, der relativierend nachgeschoben wird - "Antwort ist bis dato aber keine eingelangt" - soll uns vermutlich die Seriosität der Kritiker zweifelhaft gemacht werden, und uns an die Möglichkeit denken lassen, sie würden nicht gesprächsbereit sein. 

Frau Spera und Herr Menasse, die für diese bislang letzte museumsoffizielle Äußerung firmieren, müssten nur mal die Leserbriefe ansehen, um zu erkennen, wie kontraproduktiv ein derartiger Auftritt ist. Für wie dumm verkauft man uns?, die Frage wird da mehr als einmal in den Postings gestellt.
 
Nachdem dann im Text ein weiteres Mal auf die technisch nicht mögliche Erhaltung hingewiesen wird, entscheiden Frau Spera und ihr Prokurist Peter Menasse, daß es sich bei den Hologrammen nicht, wie die Kritiker behauptet haben, um Kunstwerke gehandelt habe. Sondern um "Hologramme von Porträts und Objekten", die "im Auftrag der Chefkuratorin Felicitas Heimann-Jelinek und des Architekten Martin Kohlbauer (er ist der Mann von Gabriele Kohlbauer-Fritz, einer Kuratorin des Museums)" angefertigt worden seien.
 
Während wir noch nachdenken, was man uns mitteilen will, indem man uns über den Familienstand eines Hausarchitekten informiert, werden dieser und die Kuratorin erst mal gerügt. Die Hologramme und die Demontage seinen bei den Vorgesprächen nie ein Thema gewesen. Was sie "menschlich enttäuscht" habe. Aber das genügt nicht. Da muß auch Strafe sein, worin auch immer das Vergehen der beiden Genannten gelegen haben muß, das sich im Satz "Die Hologramme und die Demontage seien bei den Vorgesprächen nie ein Thema gewesen", versteckt hält. Und die 'Strafe' besteht darin: "Heimann-Jelinek und Kohlbauer werden nun, nach den Vorfällen, nur mehr den zweiten Stock gestalten."
 
Und jetzt noch eins drauf (das Überraschungsei wird zur russichen Puppe): "Dadurch komme es, so Menasse, zu weiteren Verzögerungen beim Umbau." Da hatten wir uns doch eben erst mit der Frage zu beschäftigten begonnen, wieso das Entsorgen der Glasscherben der Hologramme, wie das Museum erst vor Stunden mitteilen ließ, die Eröffnung um zwei Monate verzögern würde, da wird uns auch schon einer neuer, ganz anderer Grund für den Aufschub mitgeteilt.
 
Wenn ich die krause Logik der Argumentation noch einigermaßen nachvollziehen kann, bedeutet das, daß die 'Bestrafung' der beiden Mitarbeiter, nur den zweiten Stock gestalten zu dürfen, zur Verzögerung der Eröffnung führt, mit anderen Worten, die Museumsleitung die Verzögerung nicht nur in Kauf nimmt, sondern selbst herbeiführt, indem sie - wofür? - Mitarbeiter 'bestraft'.

Kann mir jemand helfen? Ich versteh's nicht mehr. - Waren da  nicht die 'Glasscherben' der 'bessere Grund' um das Hinauszögern der Eröffnung zu rechtfertigen?

Ja und dann noch was: bedeutet das, daß im ersten und zweiten Stock die Dauerausstellung, wie sie bisher war, wieder hergestellt und unverändert weiter gezeigt wird, ohne ihr Herzstück, den Hologramm-Raum, also gleichsam als Fragment, als Ruine? Oder kommt dann doch eine ganz neue Dauerausstellung? Aber wann, und wie? (Und wer darf sie machen?).

Wie gesagt: Ein Überraschungsei. Bloß - wer hat's (sich) gelegt?

Neue Leitung für das Vorarlberger Landesmuseum. Andreas Rudigier geht vom Heimatmuseum Schruns nach Bregenz.

Andreas Rudigier wird neuer Leiter des Vorarlberger Landesmuseums. Rudigier hat das Heimatmuseum in Schruns geleitet, dessen tiefgreifende Erneuerung er betrieben hat. Bei dieser Gelegenheit, wir haben in einem größeren Team an der Neukonzeption zusammengearbeitet, habe ich ihn als einen unglaublich zum 'Netzwerken' begabten Leiter kennengelernt, der Projekte in höchst unterschiedlichen Größenordnungen und mit verschiedensten Themen auf die Beine stellte, von der kleinen lokalen Initiative bis zum Forschungsnetzwerk in EU-Dimensionen. Rudigier ist leidenschaftlicher Wissenschafter, Archivar, "Ausgräber" und "Entdecker" und versteht es geschickt, Leute zusammenzubringen und Communities zu unterstützen.
Das war einer der interessantesten Qualitäten des Museums, seine Einbettung in einen großen Kreis von Personen, die sich mit vielfältigen Anliegen, Ideen, Projekten um das Museum herum organisierten. Ich habe kaum wo in Österreich ein  Museum angetroffen, das derart von einer Community getragen, benutzt und beansprucht wurde.
Andreas Rudigier an einem seiner Lieblingsorte - dem Museumsarchiv
Für das Schrunser Museum ergab sich eine bauliche Erweiterung, die mit einem geladenen Wettbewerb Gestalt angenommen hatte. Der entschieden zeitgenössische Eingriff in den Ortskern wurde nicht ganz unerwartet zum Stein des Anstosses, mit den üblichen Fronten. Die Auseinandersetzung bremste die Entwicklung erheblich und zuletzt war unklar, ob das Projekt überhaupt realisiert werden kann.
Wir hatten, die wir an dem Projekt beteiligt waren, alle den Ehrgeiz ein neuartiges Modell eines Heimatmuseums zu realisieren und das ungewöhnliche politische Umfeld mit dem regional bedeutsamen 'Montafoner Stand' schien günstig, günstig auch für die Vernetzung des Museums mit weiteren, kleineren Häusern und vielen Denkmalorten.
Es wäre sehr schade, wenn diese Entwicklung zum Stillstand käme, egal ob wegen des Widerstandes gegen die architektonische Intervention oder des Abgangs von Andreas Rudigier. Vorarlberg, das schon einige bemerkenswerte Museen hat, hätte ein weiteres bekommen, das überregional auch als Modell für andere kleine, dörfliche Museen hätte fungieren können.
Für ein Landesmuseum mit seiner typischen Mischung aus Archäologie, Kunst, Geschichte, Volkskultur  uam. ist Rudigier mit seiner Ausbildung als Historiker und Kunsthistoriker und seiner unglaublichen Denkmalkenntnis und den zahllosen Forschungsprojekten, die er mitbringt, eine ideale Besetzung.
Die Herausforderung liegt womöglich in der unvermeidlichen Positionierung des Landesmuseums in Relation zu anderen, zum Teil weit größeren, mit ihrem "Relaunch" bereits fast fertigen Landesmuseen, in einer zumindest im weiteren regionalem Umfeld 'internationalen' Profilierung, die für Vorarlberger Museen eher eine 'Westorientierung' ist, also der Wahrnehmung der 'Grenzlage' zu Deutschland und zur Schweiz, und, das hofft doch wohl jeder (politische) Auftraggeber, mit einem Mehrwert an internationaler Attraktivität. Die beiden äußersten Pole dieses Orientierungsfeldes sind die Beschränkung (und Beschränktheit) eines Landesgroßheimatmuseums einerseits und der marketinggestützte Erlebnis- und Eventhype mit Tourismusrentabilität samt Ideologiemascherl Unser Vorarlberg andrerseits.
Es gibt aber wunderbare Beispiel dafür, wie man sich zwischen lokaler Selbstgenügsamkeit und virtuellen Größenphantasien halten kann, wie es Museen mit ähnlicher Ressourcensituation (qualitativ und quantitativ ziemlich begrenzte Sammlung; relativ kleiner Museumsstab, relativ enges thematisches Spektrum, das mit der Sammlung bespielbar wäre...) gelingt, sich mit thematischer und museologischer Intelligenz eine Haltung, eine institutionelle Identität erarbeiten, die dann auch mit breiter Aufmerksamkeit und produktiver Reaktion belohnt wird.
Schön, daß jetzt ein weiteres Museum interessant werden wird.
Rendering des Naubaues des Vorarlberger Landesmuseums

Freitag, 11. Februar 2011

"Museen als Tankstellen der Realpräsenz". Google 'erobert' jetzt auch die Museen

Ein Weizenfeld von van Gogh, etwas nahsichtig dank GOOGLE
"Museen - Tankstellen der Realpräsenz". Für so eine Wortspende und neue Metapher unter vielen verschlissenen Metaphern mit denen das Museum (un)begriffen bleibt, gehört der Autor mit Aufmerksamkeit belohnt. Auch weil er sich vergnügt einem "Realexperiment" stellt. Er googelt Museen. Genauer gesagt, das Google Art Project. Mit seiner Hilfe kann man durch Museen flanieren und einzelne Kunstwerke ansehen und ihnen so nahe kommen, wie das keine Sicherheitsanlage oder Aufseher je dulden würde. Erst einige Museen, sehr namhafte darunter, sind erfasst, allesamt Kunstmuseen.
Der Autor, Beat Wyss (hier der Link zu seinem Essay in DIE WELT) ist zunächst mal recht angetan.
Aber dann!
"Wo ist das Publikum, das meine Beobachtungen durch Gedränge und Lärm mitbestimmt? Man vermisst jetzt alles, von dem man glaubte, es störe den Kunstgenuss. Meine reale Anwesenheit im Museum liefert das, was kein noch so scharfer Zoom am Bildschirm bietet: jene kribbelnde Furcht, meine Aufmerksamkeit könnte durch eine vorlaute Reisegruppe gestört werden." 
Was Wyss abgeht ist die Performativität des Ausstellungsraumes und -ensembles zu der immer auch der Besucher / Betrachter mit seiner Bewegung im Raum und unter seinesgleichen gehört.
Die Bilder mögen, großformatig und enorm hochauflöslich reproduziert dargestellt sein, aber der Betrachter wird sich immer in der Rolle des Tantalos wiederfinden: "Alles um ihn wich zurück, wenn immer er danach greifen wollte. Tantalos war verdammt, auf ewig nur ansehen zu können, was er begehrte."
Das gilt freilich nicht bloß für gegoogelte Bilder in gegoogelten Museen, das ist in Museen genauso, die uns mit Ihren Ritualen, von denen das Berührungstabu eins der wichtigsten ist,  das Verfügenwollen schon im Ansatz gründlich austreiben.
Diese 'Schranke' ist aber nötig als Spielraum der Reflexion und der Möglichkeit die Unverfügbarkeit als untrennbar mit dem stets scheiternden Versuch der 'Abneignung', des 'Verstehens' verknüpft anerkennen und aushalten zu können.
Hier hätte Wyss tiefer graben müssen, um trennschärfer zwischen der Realpräsenz des Bildes im Museum einerseits und dem virtuellen Bild am Schirm unterscheiden zu können. Er hat schon recht, die technische Möglichkeit, dem Bild 'nahezukommen' ist irreführend. Das gilt auch für eine andere Spielart desselben Begehrens: der Röntgenfotografie, von der manche Kuratoren (die Wiener Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums hat dafür ein besonders Faible) offenbar meinen, daß das Eindringen gewissermaßen in den Körper der Kunst, das Begehren das Wahre, das Wesentliche - endlich - zu sehen, gestillt werden kann.
"Vor unseren Augen" schreibt Wyss, "vergrößert sich die Textur der Gemälde vom einzelnen Pinselstrich, über das Craquelée, zum Malgrund der Leinwand. Ihre Geheimnisse geben die Werke dabei nicht preis." Ja, das ist aber beibeiden 'Bildern', dem musealen wie dem digitalen so. Und es ist notwendig.

Euro, Schilling und ein Stempel (Entrée 14)

Die Hologramme waren vielleicht doch abbaubar?

Leserzuschrift zum Artikel von Thomas Trenkler im Standard:

Es nervt - Die Aussage, die Hologramme konnten nicht zerstörungsfrei abmontiert werden ist schlichtwegs falsch. Da ich als Helfer beim Aufbau der Hologramme mitgearbeitet habe kann ich bestimmt sagen das diese Hologramme zwar nicht zerstörungsfrei aus den Bodenschienen entfernt werden konnten, sehrwohl aber mit dem über dem Bodenniveau befindlichen Teilen der Bodenanker ohne die geringste Beschädigung zu entfernen gewesen wären. Dazu hätte es nur eines Gerüsts für die Platten und eine Trennscheibe gebraucht. Die Kosten dafür wären natürlich höher gewesen als die Kosten für die Zerstörung, aber auch nicht so hoch das es unbezahlbar gewesen wäre. Bei den Gesamtkosten des Museumsumbaus ein Minimalbetrag.

Das Jüdische Museum erregt sich auf österreichisch

Das Jüdische Museum der Stadt Wien hat gestern nach seinem auszugsweise in DIE PRESSE wiedergegeben Statement ein weiters in Form eines PDF veröffentlicht, das man von der Homepage aus hochladen kann. (Link hier).
Ich möchte den Text, der vielleicht nicht zufällig zeitnah an einem Thomas-Bernhard-Gedenktag (der auch den die Kritik am Museum verhöhnenden Titel inspriert haben mag) erschien ist, im Augenblick nicht kommentieren.
So etwas kann man getrost dem Urteilsvermögen geistesgegenwärtiger Leser überlassen.

Donnerstag, 10. Februar 2011

Sprachlos. Ein weiterer Kommentar zum Abbruch der Hologramme im Jüdischen Museum der Stadt Wien

Ich bin sehr bestürzt über die Entfernung und Zerstörung der Hologramme auf diese Art und Weise. Und auch die Reaktion der Direktorin des Jüdischen Museums, lässt mich – hinsichtlich der aktuellen Selbstpositionierung des Museums – sehr irritiert zurück. Nicht nur, dass keine Debatte VOR der Zerstörung der Hologramme stattgefunden hat, auch dass Frau Spera in ihrer Stellungnahme ausschließlich auf technische Notwendigkeiten rekurriert, spricht für sich bzw. gegen sie.
Die Hologramme waren bei meinen Exkursionen mit Studierenden der (Zeit)Geschichte ein Fixpunkt, um ganz grundlegend über museale Re/Präsentationsmöglichkeiten und die Erzählbarkeit von Geschichte im Allgemeinen und von jüdischer Geschichte nach der Shoah im Besonderen zu diskutieren. Einen solch hohen Grad an Reflexion über das eigene Tun wie sie das JMW mit seiner Dauerausstellung zum Ausdruck brachte, findet man auch in internationaler Hinsicht nicht in vielen Museen.
Umso sprachloser lassen diese aktuellen Bilder und unreflektierten Rechtfertigungsstrategien der Verantwortlichen zurück.

Dr. Heidrun Zettelbauer
Universität Graz
Institut für Geschichte - Österreichische Geschichte

Reaktion von Direktor Spera auf den offenen Brief von Johannes Wachten

(Mail vom 10. Februar 2011 14:48:59)

Sehr geehrter Herr Wachten,
die Hologramme auch nur in einem Hauch von einem Atemzug mit der Wiener Gesera, der planmäßigen Vernichtung der jüdischen Gemeinden im Herzogtum Österreich im Jahr 1421 durch Zwangstaufe, Vertreibung und Hinrichtung durch Verbrennen zu vergleichen, hat sie in meinen Augen derartig disqualifiziert, dass ich auf Ihre weiteren Anwürfe nicht mehr antworten werde.
Mit freundlichen Grüßen
Danielle Spera

Dr. Danielle Spera
Jüdisches Museum Wien|Direktorin
Dorotheergasse 11
A-1010 Wien
Österreich
Tel:      +431 5350431
Mobil:   +43 699 15205555
e-mail:    danielle.spera@jmw.at
www.jmw.at


Hier der Link zum Brief von Johannes Wachten, auf den Frau Direktor Spera bezug nimmt.

"Eine österreichische Aufregung". Wie das Jüdische Museum Wien mit seiner Krise umzugehen gedenkt.

Am Vormittag ist in der Tageszeitung DIE PRESSE ein Artikel erschienen, der die Reaktion des Museums auf die massive Kritik der letzten Tage vorstellt (Link zum Artikel hier).
Das Museum wird die verkleinerten Duplikate der Hologramme ausstellen, vom 16. bis 20. Februar und zwar unter dem Titel "Die Geschichte einer österreichischen Aufregung".
Man teilt mit, daß wegen der Schwierigkeit beim Abtransport der "zerstörten Platten" (damit sind ganz offensichtlich die Hologramme gemeint), der Eröffnungstermin des Museums nach den Umbauarbeiten von Juli auf September 2011 verschoben wird.
Dann werde man das Set der Duplikate noch einmal ausstellen, und zwar einige Monate lang.
Dann werden noch einmal die nicht lösbaren technischen Probleme der Demontage und Erhaltung der Hologramme zusammengefasst und angemerkt, (hier zietiert die PRESSE offenbar wörtlich das Museum) "dass dieses Instrument als Erinnerung an eine veraltete Technologie erhalten bleibt und damit ein wichtiger Teil der Geschichte des Jüdischen Museums Wien trotz der enormen Probleme um den Abbau der Originale in Erinnerung bleiben kann."
Ehe zum Schluß im Artikel der Brief erwähnt wird, der gestern von Museumsleitern und Wissenschaftern veröffentlicht wurde, wird ein  - zumindest mir bislang noch nicht bekannter Aspekt - genannt: DIE PRESSE: "Die zerstörten Hologramme hätten darüber hinaus vorwiegend Objekte und Bilder gezeigt, die sich großteils im Besitz des Museums befinden".

Offener Brief aus Frankfurt/M. an Danielle Spera

Sehr geehrte Frau Dr. Spera,

durch einen Anruf der Presse erfuhr ich, dass unser vorheriger e-mail-Austausch aus Ihrem Hause – ohne meine vorherige Zustimmung – an dieselbe gelangt ist. Um diesen Weg abzukürzen, erlaube ich mir, Ihnen nunmehr direkt einen „offenen Brief“ zu schicken.

Funktionssanierung ist für jede Immobilienentwicklung unumgänglich und begrüßenswert.

Wenn sie sich jedoch nur um den Preis der Zerstörung eines Kunstwerks realisieren lässt, ist sie gerade bei einem Museum dysfunktional und das umso mehr bei einem Jüdischen Museum, das einem ohnehin schon viel zu sehr dezimierten Kulturerbe verpflichtet ist.

Wenn ich in den letzten Jahren in Wien war, habe ich mir immer wieder besonders die Hologramme angesehen.  Von Anfang an und immer wieder empfand ich Bewunderung und Hochachtung für diese für ihren speziellen Raum konzipierte Kunstinstallation, die nun unwiederbringlich zerstört ist. Ihr hoher intellektueller und ästhetischer Anspruch verschaffte dem Jüdischen Museum Wien einen einzigartigen internationalen Stellenwert. Eine kleinere, nicht für den ursprünglichen Raum konzipierte Replik ist kein gleichwertiger Ersatz – zumal für mich derzeit nicht ersichtlich ist, dass sie im umgebauten Haus erneut installiert wird. Sollte sie aus dem sanierten Bau verbannt bleiben, käme das für dieses Kunstwerk in meinen Augen – mutatis mutandis – einer neuen „Wiener Gesera“ gleich.

Nach dem ersten Schock angesichts der Bilder der Verwüstung bleiben mir trotz Ihrer Ausführungen noch Fragen.

Wie steht es mit den Rechten des oder der Urheber dieses Kunstwerks? Ist dieser oder sind diese bezüglich der Zerstörung befragt worden? Hat er oder haben sie eventuell sogar zugestimmt? Geht der von Ihnen erwähnte gerichtliche Sachverständigen evtl. auch auf die Urheberrechtsproblematik ein?

Ohne dessen Gutachten zu kennen, kann man dazu nicht Stellung nehmen. Dabei bin ich allerdings grundsätzlich der Meinung, dass kein Sachverständigengutachten einen der eigenen Verantwortung entheben kann.

Ihrer Antwort entgegensehend und mit kollegialen Grüßen

Johannes Wachten


STADT FRANKFURT AM MAIN
– Der Magistrat –
JÜDISCHES MUSEUM
Dr. J. Wachten
Oberkustos und stellv. Direktor

(Hier zur Reaktion von Frau Direktor Spera auf Herrn Wachtens Schreiben)